
Liebe Gartenenthusiasten,
zugegeben, bei meiner ersten Begegnung mit Venedig war ich alles andere als begeistert. Während der Anfahrt von Mestre aus mussten wir uns in einen überfüllten Bus quetschen, die Stadt war völlig überlaufen und am Markusplatz drängten sich die Taubenfuttervekäufer. Der Taubendreck an den Gebäuden tat ein Übriges. Aber nach mehreren längeren Besuchen – meistens zur Kunstbienale – lernte ich die Stadt zu lieben.
Wir suchen uns jetzt immer ein gemütliches Hotel auf dem Lido, besorgen uns eine Mehrtageskarte für die Vaporetties und genießen die Stadt. Tagestouristen müssen jetzt Eintritt zahlen und Tauben werden auch nicht mehr gefüttert. So richtig entfaltet Venedig aber erst in den Abendstunden seine Schönheit, wenn die Tagestouristen und die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe wieder abgereist sind. (Die großen Kreuzfahrtschiffe dürfen ja seit mehreren Jahren nicht mehr direkt in Venedig anlegen.)
Immer wieder haben wir uns Reiseliteratur besorgt, um die unbekannten Ecken dieser reizvollen Stadt zu entdecken. Wir sind dankbar für jede Anregung. Um so mehr habe ich mich gefreut, dass der Callwey Verlag in diesem Herbst das Buch „Zu Gast in Venedig“ herausgegeben hat, denn wo lernt man eine Stadt besser kennen als in ihren Kneipen, Bars und Restaurants. Von den kleinen Weinbars und Osterien bis zur gehobenen Gastronomie hat Autorin Christine Gräfin von der Pahlen Orte zusammengetragen, in denen man Venedig von der kulinarischen Seite her kennenlernen kann.
Schon seit mehr als 1000 Jahren ist die Küche geprägt von den Genussmitteln, die die anlandenden Schiffe aus erster Hand von ihren Reisen in den Orient mitbrachten, nicht zu vergessen das frische Gemüse und den Fisch aus der Lagune. Wusstet ihr schon, dass sogar Stockfisch in der venezianischen Küche eine Rolle spielt? Welcher Venedigbesucher kennt nicht den betriebsamen Markt nahe der Rialtobrücke, auf dem die frische Ware täglich gehandelt wird. Auch an Weingütern ist die Region nicht arm, also beste Voraussetzungen für eine hochwertige authentische Gastronomie.
Wie beim Callwey Verlag gewohnt, liegt mir ein großformatiges Buch mit vielen beeindruckenden Fotos vor. Fotograf Mayk Wendt hat die Stadt nicht nur fotografiert, sondern ihre Stimmungen eingefangen. Das Buch ist Reiseführer, Restaurantführer und Kochbuch zugleich. Die Autorin folgt in ihrem Buch den sechs Stadtviertel San Marco, Castello, Cannaregio, Santa Croce, San Polo, Dorsoduro und der Lagune.
Venedigkenner wissen wie beeindruckend eine Fahrt über den Canal Grande zum „San Marco“ (Markusplatz) ist. In diesem Viertel empfiehlt die Autorin u.a. ein Essen im „Club del Doge“ des Luxushotels „The Gritti Palace“. Aber keine Sorge, wer sich ein Essen dort nicht leisten kann, hat die Möglichkeit z.B. das „Risotto a la Hemmingway“ lt. Rezept nachzukochen. Beeindruckend ist auch die Geschichte von Gios Restaurant am Ufer des Canal Grande. Osteria und Weinbar „Vino Vino“ zeigen sich in besonderem Ambiente. Dort würde ich gerne mal die „di Polenta“ (Polenta Canneloni mit Kabeljau und Carpaccio) probieren.
Im größten Stadtteil von Venedig – Castello – nimmt der Touristenstrom schon ein wenig ab und man könnte im Restaurant „Wildner“ ein „Stockfisch- Mousse“ als Aufstrich oder in der „Osteria alle Testiere“ eine „Thunfisch-Tagliata mit violetten Artischocken“ probieren. In San Polo hören sich in der „Wisteria“ Rote Linsen-Macceroni mit Meerbarben-Busera“ verlockend an, genauso wie eine „Samtige Spinatsuppe“ in der „Osteria Bancogiro“. So könnte ich noch viele Stadtteile und Restaurants aufführen, die alle einen vielversprechenden Eindruck auf mich machen.
Erwähnenswert sind auf jeden Fall die Laguneninseln wie Murano oder Burano, die ich selbst schon besucht habe. Die Insel Mazzorbo kannte ich noch nicht. Dort stellt die Autorin ein Weingut mit Sternerestaurant vor. Mir haben auf dem Foto besonders die „Kräutercrepes mit Rosmarineis“ gefallen.
Es ist wirklich eine Freude in dem Buch zu blättern. Immer wieder werden die Beschreibungen der Wohnviertel, Gaststätten und Rezepte von stimmungsvollen ganzseitigen Fotos der Stadt unterbrochen. Die Food-Fotos sind geradezu appetitanregend. Zu jedem der Stadtteile und zu den Inseln gibt es Geheimtipps und Wissenswertes. Hinweisen möchte ich unbedingt auf den Serviceteil, in dem die Autorin außergewöhnliche Gaststätten und Bars, Läden und Museen vorstellt, aber auch besondere Erlebnisse und Events in Venedig empfiehlt.
Auch wenn der Besuch eines Sternerestaurants wohl eher nicht zur täglichen Routine einer Reise gehört, man wird ja noch träumen dürfen. Außerdem gibt es da noch die vielen Rezepte und Tipps zu anderen Gaststätten. „Zu Gast in Venedig“ ist ein wunderschönes Buch über „die schönste Stadt der Welt“. Es ist Reise- und Restaurantführer sowie Kochbuch zugleich. Ein Buch für alle, die Venedig außerhalb der abgetretenen Touristenpfade auch kulinarisch erkunden wollen. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt noch lange und so authentisch wie möglich erhalten bleibt.
Habt trotz aller Turbulenzen ringsherum eine schöne Herbstzeit
Herzlichst
Gisela Tanner